Bürgermeister, Bovenschulte, Bovi oder sogar El Presidente – die Spitznamen für Andreas Bovenschulte sind vielfältig. Aber keiner trifft es besser als der meiner Mutter: "Das ist doch Andreas." Und sie hat Recht, vielleicht mehr, als sie ahnt. Denn Andreas Bovenschulte ist nicht nur der Bürgermeister unserer Stadt und SPD-Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl, sondern auch ein Surfer auf einer Sympathiewelle. Die Umfragen lieben ihn, die Leute fühlen sich ihm verbunden, und viele hoffen, dass er weiterhin unser Bürgermeister bleibt.
Aber wer ist der Typ, der uns die nächsten vier Jahre weiterregieren will, und was geht in seinem Kopf vor? Ich hatte einige Fragen und war froh, sie ihm bei einem Abendessen im Restaurant Tendüre stellen zu können.
Warum sind wir hier?
Ich war über die letzten zwanzig Jahre immer wieder gerne hier. Es gibt klassisches türkisches Essen auf gehobenem Niveau, Lammgerichte der Extraklasse, die können sie hier wirklich, und und und. Ich war jetzt längere Zeit nicht mehr hier und da dachte ich: Das ist eine gute Gelegenheit, das nachzuholen.
Was sind Ihre Top 3 Läden in Bremen?
Ach, es gibt so viele interessante Restaurants und über die Jahre ändern sich meine Favoriten auch mal. Ich mag zum Beispiel das Q1 und das Bandonion sehr gerne. Im Sommer sitze ich gerne auf der Terrasse im Haus am Walde. Ich bin da nicht festgelegt.
In Ihrem Amt ist es bestimmt nicht leicht, Zeiten für Essen zu finden. Robert Habeck sagte mal, dass er im Politstress nicht zum Einkaufen komme und sein Müsli zuweilen mit Wasser frühstücke. Wie sieht es mit Ihrer Ernährung aus?
Ja, sich gesund zu ernähren ist im Alltag mit den ganzen Sitzungen und Terminen manchmal schwierig. Aus meiner Erfahrung gehen die Menschen mit Stress völlig unterschiedlich um: Die einen essen weniger, die anderen mehr – und nehmen ordentlich zu. Ich gehöre leider eher zur zweiten Gruppe. Mein gesunder Appetit wird bei Stress immer noch ein bisschen größer.
Sie haben in Bremen studiert, waren AStA-Vorsitzender und haben mit dem vorherigen Bürgermeister Sieling in einer WG gewohnt. Wie hätten die jungen Studenten-Buddys die Idee gefunden, die Uni ins ehemalige Sparkassengebäude am Brill zu verlagern?
Das hätte ich damals wahrscheinlich nicht so gut gefunden. Heute halte ich es, was den Teilumzug der Uni in die City betrifft, mit der Rektorin Jutta Günther: Das ist eine riesige Chance für die Uni – und für die Stadtgesellschaft.
Wieso hat es letztendlich am Brill nicht geklappt?
Wir haben mit den Eigentümern intensiv über die Bedingungen diskutiert, konnten uns aber am Ende nicht einigen. Miete und Umbaukosten, das wäre einfach zu teuer geworden. Aber wir hatten uns ja von Anfang an um Alternativen bemüht und haben mit der ehemaligen Landesbank am Domshof ja auch ein tolles Gebäude gefunden. Übrigens zu einem sehr angemessenen Preis.
Das Scheitern der Brill-Idee wurde von viel Kritik begleitet. Dennoch tat das Ihrer Popularität keinen Abbruch, im Gegenteil. Sie sind laut einer aktuellen Umfrage der beliebteste Politiker im Bremer Senat. Woher kommt der Erfolg?
Das müssen andere beantworten.
Versuchen Sie es mal.
Sagen wir mal so. Viele Menschen in Bremen und Bremerhaven fühlten sich während der Pandemie und der Energiekrise mit ihren Sorgen offenbar ernst genommen. Oft höre ich auch, dass sie eine gewisse Unaufgeregtheit und Ruhe an mir schätzen. Typisch norddeutsch würde man wohl sagen.
Ihr Image ist top, das der Stadt weniger. In vielen Rankings liegt Bremen hinten. Wie wollen Sie das Problem bekämpfen?
Ach, ich könnte jetzt eine ganze Reihe von Statistiken aufzählen, bei denen wir ganz vorne liegen. Aber ich will nicht ausweichen, wir schneiden an einigen Stellen ja auch wirklich schlechter ab als der Bundesdurchschnitt. Da müssen wir die Probleme angehen und uns anstrengen besser zu werden. Überhaupt keine Frage. Was mich aber ärgert, wenn ich das mal sagen darf: Wir sind an dem Bild, das andere von uns haben, oft selber schuld. Die allermeisten von uns leben ja sehr gerne in Bremen und sind stolz auf unsere Stadt. Wir sollten das dann aber gelegentlich auch mal sagen. Das würde ganz erheblich zu einer besseren Außenwirkung beitragen.
Inwiefern?
Wie heißt es so schön: Das größte Lob, das man in Bremen bekommen kann ist „Da kann man nicht meckern“. Ich erzähle Ihnen mal ein Beispiel: Das Statistische Landesamt hat vor kurzem veröffentlicht, dass Bremen im vergangenen Jahr das höchste Wirtschaftswachstum unter allen Bundesländern hatte. Das gab’s in den letzten 50 Jahren nicht. Überall sonst wäre das ein Riesenthema gewesen, die Zeitungen würden damit aufmachen, Radio und Fernsehen berichten. In Bremen war das keine Nachricht wert. Das ist ein bisschen bezeichnend für unsere Mentalität. Und daran müssen wir arbeiten. Sonst wird das nichts mit dem besseren Image. Bescheidenheit ist zwar eine Zier, aber weiter kommt man bekanntlich ohne ihr.
Wie ändert man das?
Ich bin ein großer Freund davon, offen anzusprechen, wenn etwas schlecht läuft. Aber wir sollten mit der gleichen Selbstverständlichkeit auch über unsere Erfolge reden. Ein Schuss rheinländischer Lebenseinstellung würde uns da vielleicht gut tun.
Vielleicht tauen wir ja etwas auf, wenn wir mehr Freizeit bekommen und das Leben genießen können. Wie halten Sie es mit dem trending topic 4-Tage-Woche?
Dass man auch weniger als fünf Tage in der Woche arbeiten kann ist für sich genommen ein alter Hut. Die entscheidende Frage ist doch: Kann es eine Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich geben? So wie die Gewerkschaften es bei der 35-Stunden-Woche erkämpft haben? Mittelfristig gesehen ist das durchaus eine realistische und attraktive Perspektive. Kurzfristig ist das jedenfalls in der Breite nicht umzusetzen.
Befürworter argumentieren an dieser Stelle, dass positive Effekte auf die Gesundheit und eine höhere Motivation zu einer höheren Produktivität führen und diese die Lohnsteigerung ausgleichen würden.
Das stimmt, aber um eine flächendeckende Reduzierung der Arbeitszeit um 20 Prozent verteilungsneutral umzusetzen, müsste auch die volkswirtschaftliche Produktivität entsprechend steigen. Und das muss man erstmal hinkriegen, zumal ja auch noch Spielraum für Lohnerhöhungen verbleiben muss.
Vor Kurzem hat Wedel als erste deutsche Stadt beschlossen, die 4-Tage-Woche in der öffentlichen Verwaltung einzuführen. Beamte können hier ihre Arbeitszeiten verdichten und so drei Tage am Stück frei haben. Vorbild für Bremen?
Solange der Dienstbetrieb und die Servicequalität dadurch nicht beeinträchtigt werden, spricht grundsätzlich nichts dagegen die Arbeitsleistung auf vier statt auf fünf Tage in der Woche zu verteilen. In vielen Bereichen dürfte das aber nicht so einfach sein, etwa bei der Straßenreinigung, bei Polizei und Feuerwehr oder in Schulen und Kitas.
Ein Thema, das aktuell ebenso groß diskutiert wird, ist die Legalisierung von Cannabis. Finden Sie, dass Bremen eine Modellregion für Besitz, Anbau und Verkauf von Cannabis werden sollte?
Ich bin grundsätzlich für eine vorsichtige und kontrollierte Entkriminalisierung, um den illegalen Handel auszutrocknen. Da wäre es inkonsequent, sich gegen jeden Modellversuch in Bremen zu wenden. Andererseits habe ich so meine Zweifel, dass die Cannabis-Legalisierung gerade das drängendste politische Problem in unserem Land ist.
Sie kandidieren erneut für das Amt des Bürgermeisters. Mit Blick auf die vergangenen vier Jahre: welches Zeugnis würden Sie sich ausstellen?
Der derzeitige Senat hat mit mir an der Spitze das Land gut und unaufgeregt durch die Krisenjahre geführt. Und wir haben einen klaren Plan für die Zukunft.
In vielen komplexen Berufen wie dem ihrigen ist es schwer, Maßstäbe für die Bewertung der eigenen Arbeit zu finden. Wie definieren Sie persönlich Erfolg?
Wenn wir das Leben der Menschen ein Stück besser machen oder zumindest Schaden von ihnen abwenden konnten. Letzteres ist uns in der Pandemie und in der Energiekrise ganz gut gelungen.
Welche ihrer politischen Entscheidungen bereuen Sie am meisten?
Dass wir während der Pandemie die Schulen und Kitas zeitweilig geschlossen haben. Wir haben sie in Bremen zwar schon mit als letzte geschlossen und als erste wieder geöffnet. Aber um sie ganz offen zu halten, dafür war der öffentliche Druck einfach zu groß.
Wieso sind Sie nicht bei Ihrer Überzeugung geblieben?
Die Bildungssenatorin und ich auch erhielten täglich Hass-Mails, auf Twitter wurden wir beschimpft und die Medien kritisierten unseren angeblichen Sonderweg – auch dann, wenn wir uns streng an die Vereinbarungen gehalten hatten. Wir hätten trotzdem im Nachhinein noch standhafter bleiben sollen.
Apropos Fehler, Ihr Generalsekretär Kevin Kühnert bezeichnete das Verhalten der Klima-Kleber als falsch. Wie halten Sie es mit der Protestform?
Ich halte das auch für falsch. Aber wir sollten auch die Kirche im Dorf lassen. Das sind weder Terroristen noch Schwerverbrecher.
Nehmen wir an, Sie sitzen im Auto auf dem Weg zu einer wichtigen Wahlkampfveranstaltung und die Straße würde von Klima-Klebern versperrt werden: was würden Sie tun?
Ich würde ihn bitten, die Straße freizumachen. Sollte er sich weigern und ich nicht anders zur Veranstaltung kommen kann, dann würde ich die Polizei um Hilfe bitten.
Viele Menschen würden an der Stelle ausrasten. Sie nicht?
Nein, das ist nicht meine Art.
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