Früher strömten die Menschen Ostersonntag in die Kirche, heute zum Brunch ins Bistro. Michael Heitmann ist Pastor, Leiter des Café Eden und kennt beide Seiten. Er meint, dass Gastros und Kirchen sich näher sind, als man denken mag - und sie die Chance haben, Orte echter Gemeinschaft zu sein.
„Sind Gastros die neuen Kirchen?“ Diese Frage ist für mich provokant - gerade zu Ostern, wo ich als Pastor hoffe, dass Menschen mal wieder den Weg in eine Kirche finden. Denn ich bin überzeugt, dass uns der Glaube an Gott eine Hoffnung geben kann, die wir sonst nirgends finden. Und doch hat es mich gereizt, diesem Gedanken mal nachzugehen: Sind Gastros die neuen Kirchen?
Wenn man sich sonntagmorgens so umschaut, findet man viele Kirchen recht leer vor, während die Gastros dank Brunch-Angeboten aus allen Nähten platzen. Dort, wo die Kirchen über Jahrhunderte so etwas wie der gesellschaftliche Dreh- und Angelpunkt gewesen sind, scheint das im 21. Jahrhundert irgendwie abgelöst.
Diese Aufgabe haben zu einem guten Teil die Cafés und Restaurants übernommen. Sie sind viel mehr als nur Orte, an denen Hunger und Durst gestillt wird. Sie sind Orte, an denen man Menschen trifft, Orte, an denen man sich wohl fühlt, die nach Möglichkeit schön aussehen. Ihr „Sitz im Leben“ – wie der Theologe sagt, wenn er einen Bibeltext in seinem originären Kontext verorten will – ist längst der Ort der Begegnung geworden. Ein wichtiger Beitrag zum gesellschaftlichen Leben! Aber damit geht Verantwortung einher.
Wenn die Gastronomie diese Aufgabe wahrnehmen will (und ich freue mich, wenn sie es tut), dann muss ihre Motivation eine andere sein als alleiniger Profit. Sie muss über sich selbst hinausdenken können. Wenn die Gastro diese Aufgabe in der Gesellschaft wahrnehmen will, dann muss sie getrieben sein von zwei Dingen: der Liebe zum Essen (und Trinken), aber viel mehr noch der Liebe zu Menschen. Sie muss für die Menschen da sein und nicht die Menschen für sie.
Nun weiß ich auch, dass dies in wirtschaftlich angespannten Zeiten wie ein idealisierter Wunschgedanke klingen mag, denn klar: Menschen sorgen für den Umsatz, der die Gastro am Leben hält. Aber ich bin der Meinung: Man spürt einem Laden ab, welches Herz dort schlägt.Wenn Gastro mehr sein will als nur ein „Business“, dann muss das Herz für die Menschen schlagen.
Und damit spanne ich den Bogen noch mal zurück zur Kirche: Wie stehen nun Gastro und Kirchen zueinander? Ich glaube sie sind einander näher, als mancher denken mag. Wenn wir in die Bibel schauen, dann sehen wir, dass Jesus in seinem Leben vor allem eines getan hat: Er hat mit Menschen gegessen. Ja, das ging so weit, dass er sich in Windeseile einen zweifelhaften Ruf erarbeitet hat: „Der Menschensohn ist gekommen, isst und trinkt; und ihr sagt: Siehe, dieser Mensch ist einFresser und Weinsäufer, ein Freund der Zöllner und Sünder!“ (Lukas 7,34 LU17).
Der Theologe Robert Karris fasst es so zusammen: „Im Lukas-Evangelium geht Jesus entweder zu einem Essen, ist bei einem Essen oder kommt von einem Essen.“ Jesus war längst klar, dass Liebe durch den Magen geht. Nichts ist natürlicher und echter als gemeinsam zu essen. Deshalb hat Jesus Menschen aus allen Gesellschaftsschichten am Tisch versammelt, er hat dort gelehrt und er hat vorgelebt, was es bedeutet, nicht von „oben herab“ zu führen (obwohl er im wahrsten Sinne des Wortes von oben herab kam), sondern einer von uns zu sein. Kein Wunder also, dass sich die frühe Kirche nicht um den Altar herum versammelt hat, sondern um den Tisch.
Die Tischgemeinschaft war zentral für das Gemeindeleben. Noch heute feiern Christen auf der ganzen Welt das Abendmahl, das symbolisch an die letzte Tischgemeinschaft Jesu mit seinen Jüngern erinnert. Und ich beobachte, wie die Kraft von Gemeinschaft in diesen Zeiten in vielen Kirchen ganz neu entdeckt wird. Echte Gemeinschaft. Gesunde Gemeinschaft. Nicht gekünstelt. Ich bin sehr froh, dass unsere Kirche an jedem Sonntag voll ist mit Menschen von jung bis alt, arm und reich, aus den verschiedensten kulturellen Hintergründen. Aber eines nehme ich bei allen wahr: diesen Hunger nach echter Gemeinschaft. Und das geht auch in der Kirche nicht ohne ganz viel Essen.
Sind Gastros also die neuen Kirchen? Ich würde sagen: nein. Ich bin froh über den tollen Beitrag der Gastros zum gesellschaftlichen Leben. Ich habe selbst aus genau diesem Grund das Café Eden gestartet. Aber als Pastor kann ich sagen, dass es vieles gibt, was die Gastro eben auch nicht kann. Wenn Menschen Lebensfragen haben, wenn sie nach Sinn suchen, wenn sie in Krisen feststecken, dann kommen sie nicht zu mir als Gastronom. Dann suchen sie mich auf als Pastor.
Gastro wie Kirche tragen einen wertvollen Beitrag zum gesellschaftlichenLeben bei. Beide haben ihren Platz. Aber sie sind eben auch nicht dasselbe – und das ist gut.
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